Centre De La Photographie Genève  

 

Joerg Bader

 

 

GLAUBEN HILFT NICHT   

 

 

Dass die Fotografie mit dem Tod im Geschäft steht, wissen nicht nur Paparazzis. Der für immer fixierte Augenblick konstituiert das Wesen der Fotografie. Jede Fotografie zieht uns nach dem Auslösen des Verschlusses in die Vergangenheit (es war - anderswo). Das bewegte Bild, wie Film, Video oder die elektronische Animation, hält uns in der Gegenwart (es geschieht jetzt - vor unseren Augen). Die Künstlerin Gabriele Leidloff treibt in ihren Installationen mit statischen und bewegten Bildern ein Verwirrspiel, das unseren Glauben in und an Bilder und die Illusion der Gegenwart zersetzt.

 

Die Röntgenbilder Leidloffs verstören, weil ihnen das Knochengerüst fehlt. Wir betrachten nachgestellte Filmszenen, und die Konturen entsprechen Modells. Röntgenbilder dienen heute Zöllnern und Polizisten, sowie Kunsthistorikern bei der Datierung von Tafelbildern. Leidloff bringt die Röntgenfotografie an ihren Anfang zurück, insbesondere ihre Interpretation, die inzwischen nur noch Medizinern zugestanden wird.

Die Künstlerin verwendet auch Ultraschall, Computertomographie, Eyetracking und modernste bildgebende Verfahren. Aber nicht für den Wahrheitsbeweis, sondern um unseren Glauben in (Wissenschafts-)Bilder zu hinterfragen, indem sie uns andere, neue und noch nicht gezeigte Bilder produziert.

So fotografierte sie z.B. in "Ugly Casting" Totenmasken aus dem Archiv eines Hamburger Museums, das zufällige Beieinander der Köpfe und die sichtbare Zärtlichkeit. Die Abzüge montiert Leidloff in einer narrativen Linie wie Filmstills und zeigt als letztes Bild einen TV Monitor, mit den Filmstills in Bewegung als Videosequenz.

In ihrem Film "Ms. Olga de Mooy" löst die Künstlerin unsere visuellen Codes auf. Während wir einer Dame beim Schminken zusehen, erkennen wir, dass die langsamen Bewegungen nicht über Zeitlupe programmiert sind, sondern uns auf das Alter der Dame zurück führen.

Bei "Moving Visual Object" sind wir uns der Präsenz eines menschlichen Körpers nicht mehr sicher. Hier stellt Leidloff eine Montage direkt gezappter Aufnahmen der Beerdigungszeremonie Prinzessin Dianas durch Londons Strassenschluchten her. Schon der Titel des Videos "Moving Visual Object" bezieht sich, wie immer bei Leidloff, auf die sichtbare Oberfläche. Also war der Fetisch der Massen, der Sarg, in diesen Stunden vielleicht körperlos.

Vorausgesetzt die Fotografie spiegelt die Vergangenheit und der Film die Gegenwart, dann sollte man sich fragen, was ein "Moving Visual Object" in einem sich bewegenden Bild bedeutet. Man könnte mit Beltings Bildanthropologie Sarkophage als erste Bildfindung der Menschheit verstehen und so den Kreis zu Leidloffs Arbeiten schliessen.