Scheffler, K., in: G. Leidloff: "l o g - i n / l o c k e d  o u t", in: O. Breidbach, K. Clausberg und K.P. Dencker (Hg.): Video, ergo sum, Hamburg 1999


 

[...] In Gabriele Leidloff's video "Channel 4", a TV-presenter is shown, who answers viewer calls about tennis. Through enlargement and isolation Leidloff creates a double structure in this recording. Two virtual centerlines are filtered: That of the tennis court and that of the presenters face, through whose back and forth head movement, tennis and communication are be observed. [...] Leidloff's doubled camera gaze puts the systems in perspective. The conciousness as upright 1 cannot be maintained against the "optically-unconscious", which Walter Benjamin already described. [...] In the clinical locked-in syndrome (a) communication is interrupted. Can we, next to on-set, have another notion the pictures of the scene, which amount to locked-in.

Kirsten Scheffler
Scholar of German Literature, Berlin/Hamburg


 

S/T/R/O/K/E/S

Um für das Projekt  l o g - i n / l o c k e d  o u t  den Schrägstrich zu schreiben, braucht es eine informierte Operation. Das Zeichen kontextuiert zwei Seiten einund(nicht)desselben; konstituiert eine Umgebung des Unterschieds. Eine Linie, Zeichen des alphanumerischen Codes wird gezogen, auf deren beiden Seiten etwas (ko)existiert. In Gabriele Leidloffs Video "Channel 4" zeigt das Bild eine TV-Moderatorin, die Zuschaueranrufe zum Tennis beantwortet. Durch Vergrößern und Isolieren bildet Leidloff eine doppelte Struktur in dieser Aufzeichnung. Gefiltert werden zwei virtuelle Mittellinien: die des Spielfeldes sowie diejenige im Gesicht der Moderatorin, durch deren hin-und herwiegende Kopfbewegung, Tennis und Kommunikation beobachtet werden. In alternierender Affirmation wird der Kopf in der Geometrie des Bildausschnitts zum Schrägstrich. Für die Textproduktion kann der Schrägstrich die Substitution aufschieben, im Textprodukt sind die eröffneten Lücken eliminiert. Auch Film und Video sind Lückenkonfiguration, die nicht bewußt als solche wahrgenommen wird. Der Transport der 24 bezw. 25 Bilder pro Sekunde wird vom Auge nicht sekundiert, sondern synthetisiert. Film ist linearer Code, Schrift, die die Dinge sich zeilenförmig ereignen läßt. In "Channel 4" sehen wir nicht ein Bild, sondern das Bild einer Reihe von Begriffen in einer Kontextur. Auch digitale Codes sind ideographisch, faßt man Zahlen als Begriffe, jedoch ohne einen Begriff vom immer exkludierten Körper. Der Körper - als kommunikationsextern, wenn man die wechselseitige Unverfügbarkeit von Bewußtsein und Kommunikation annimmt - ist keine Erzählung. Und doch erzählt er in "Channel 4" Regel und Kontingenz zweier Spiele. Leidloffs gedoppelter Kamerablick nimmt eine Geneigtheit der Systeme in den Blick. Das Bewußtsein als aufrechte Eins läßt sich nicht behaupten gegenüber dem "Optisch -Unbewußten", das Walter Benjamin bereits beschrieb. Die Digitalisierung von Bewußtsein (1) und Nicht-Bewußtsein (0), von Kommunikation und Nicht-Kommunikation oder Lücke kollabiert. Im klinischen Locked-in Syndrom ist (eine) Kommunikation unterbrochen. Können wir neben dem des on-sets einen Begriff haben von den Bildern der Szene, die sich locked-in ergeben.

Kirsten Scheffler
Literaturwissenschaftlerin, Berlin/Hamburg